Dienstag, 28. Juni 2011

Hochsaison

Puh, mir tut jeder Knochen weh. Mein Tageswerk begann mit einem 1,5-stündigen Strandausritt mit zwei Deutschen und endete mit einem 1,5-stündigen Strandritt mit vier Däninnen. Zwischendrin habe ich zwei Boxen mit unangenehm duftendem Inhalt ausgemistet, gefühlten 280 Pferden Wasser gebracht, eingekauft und im Bed & Breakfast für die neuen Gäste geputzt.

Die Menschen trudeln jetzt in ganzen Schwärmen hier ein. Nicht nur bei uns auf dem Hof, sondern auch in Tversted hat die Hochsaison begonnen. Während es vorige Woche am Strand noch in etwa so einsam aussah...


... muss man jetzt quasi im Zickzack um Autos, Sonnenschirme, Kinder und Hunde herumreiten. Ich warte noch auf den Tag, an dem meinem Pferd eine Schaufel an den Kopf fliegt.

So ganz privat freue ich mich vor allem darüber, dass nicht nur die Hoch-, sondern auch die Besuchssaison in Tversted am Wochenende begonnen hat.

Zugegeben, der Dackel ist nur vom Hof geborgt. Ich überlege aber, ihn zu adoptieren und nach Deutschland zu entführen, falls er als Hühnermörder in Tversted nicht mehr erwünscht ist.

Montag, 27. Juni 2011

N.N.

Mein aktuelles Projekt hat schwarze Haare, rotbraunes Fell und fast so treudoofe Augen wie der Dackel, bevor er einem Huhn den Kopf abbeißt. (Ernsts Schuld ist erwiesen, seit er mit einem noch lebenden Hahn im Maul erwischt wurde, drum herum ein Haufen Federn)

Mein Projekt hat leider nur einen unzureichenden Namen: N.N., also No Name. Fragt mich nicht, wie ein Pferd keinen Namen haben kann. Aber so war es nun mal, als er vor einigen Monaten gekauft wurde, und so ist es seither geblieben. No Name ist also knapp fünf Jahre alt und soll jetzt eingeritten werden.

Wallach No Name (l.) mit seiner Freundin Fenja

Und dreimal dürft Ihr raten, wer das machen soll? Ich bin sicherlich nicht die Topbesetzung für diese Aufgabe, aber vermutlich besser geeignet als ein zwölfjähriger Reitschüler. An dieser Stelle vielen Dank an Mata, die sich nicht nur gerade als Blog-Fan geoutet hat, sondern sich zwei Jahre lang alle Mühe gegeben hat, die Reitkünste der "kleinen Stadtplanze" (O-Ton Mata, gemeint bin ich) zu verfeinern! Und natürlich auch an Tjaldur, der meine Verfehlungen geduldig ertragen hat. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Ganz im Gegensatz zu Tjaldur ist No Name ein bisschen schüchtern, gewinnt aber allmählich Vertrauen. Immerhin brauche ich jetzt keine halbe Stunde mehr, damit er ohne seine Kumpels mit von der Koppel kommt. Und gegen einen Reiter scheint er auch nichts zu haben, jedenfalls läuft er recht entspannt seinen Bahnen in Schritt und Trab. Über weitere Fortschritte werde ich die Bloggemeinde auf dem Laufenden halten.

Samstag, 25. Juni 2011

Blut geleckt

Wer war's? Das ist die Frage des Tages. Irgendeiner der Genossen hat in den vergangenen beiden Tagen drei Hühner totgebissen. Abgemurkst, umgebracht, kaltblütig auf der Koppel hingerichtet.

Das tot aufgefundene Huhn löst bei allen Anwesenden Betroffenheit aus (v.l.): Ernst, Noella, Antonio, Blue und Jensen beobachten gebannt, wie ihr Frauchen die Hühnerleiche entsorgt. Einer von ihnen ist ein Mörder und Heuchler!


Die Mehrheitstheorie zu den mysteriösen Todesfällen lautet: Dackel Ernst hat zugeschlagen. In dem quirligen, immer freundlichen Kerlchen muss aus irgendeinem Grund der Jagdhund durchgekommen sein. Denn der Fuchs umstreicht zwar nachts das Hühnerhaus, würde aber nicht am helllichten Tag zuschlagen. Und die anderen Hofhunde haben Alibis bzw. die beiden Welpen sind einfach zu klein.

Obwohl die Schuld des Dackels noch nicht endgültig bewiesen ist, wird er nur noch "Hühnerdieb" genannt und hat Hausarrest. Ernst - ein Mörder?? Wer ihn kennt, kann es kaum glauben. Schon hier im Blog hat er eine kleine Fangemeinde, live ist er aber noch viel charmanter und amüsanter. Ein paar Beispiele:

Ernst in meinem Bett, ausnahmsweise züchtig am Fußende

Ernst beim Sonnenbaden im Hof mit seinen Kumpels


Bei der Betrachtung des folgenden Videos kommt allerdings der Verdacht auf, dass Ernst trotz seinen gewinnenden Auftretens doch eine düstere Seite hat. Denn die Geräuschkulisse stammt von ihm:



Tipp: Das Beste des Films kommt erst ganz zum Schluss, also nicht vorher wegzappen.

Freitag, 24. Juni 2011

Ausgeträumt

Ich sehe aus, als hätte ich in eine Steckdose gefasst. (Zwar kriege ich tatsächlich mindestens einmal am Tag einen Stromschlag am Elektrozaun, aber das ist gerade nicht der Grund für meine Struwwelpeter-Frisur.) Zudem habe ich Sand im Mund, in den Haaren, in den Schuhen und eigentlich überall.

Der gestrige Mittsommernachtstraum am Strand ist ausgeträumt - heute herrscht gefühlte Windstärke 154. Wer sich da traut, ans Meer zu radeln, der wird mit einem Naturschauspiel belohnt: Der Wind peitscht Sandböen über den Strand, das Schilf weht beinahe in der Wagerechten, auf den Wellen tanzen Schaumkronen - und das alles bei Sonnenschein und blauem Himmel. Bei Rückenwind brauchte ich nicht einmal zu treten. Auf dem Rückweg war ich hingegen froh, dass ich immer gut esse und dem Wind etwas entgegen zu stemmen hatte.

P.S. @ alle, die jetzt Feierabend haben: Ich muss gleich noch die Pferde (+ Hühner + Esel + Katzen) füttern. Danach werde ich zusätzlich zum Sand voll mit Heu sein. Es geht doch nichts über das Landleben!

Während ich das hier schreibe, hat sich Jensen neben mir in seinem Lieblingssessel zusammengefaltet und freut sich, dass er heute nicht mehr raus muss.

Donnerstag, 23. Juni 2011

Mittsommernachtstraum

Heute ist Sankt-Hans-Tag oder auch Mittsommer, also der längste Tag des Jahres. Und ein optischer Traum am Strand von Tversted. Seht selbst:

Das St.Hans-Feuer am Strand kann es mit der Farbenpracht des Sonnenuntergangs kaum aufnehmen.

Das Feuer hat eine ähnliche Funktion wie unser Osterfeuer, es soll die Hexen oder bösen Geister vertreiben. Daher wird eine große Strohpuppe verbrannt, das Publikum singt die Midsommervise (Mittsommerweise) des dänischen Dichters Holger Drachmann. Letzter liegt übrigens nur 30 Kilometer entfernt begraben in Skagen, wo Nord- und Ostsee zusammenstoßen. Zuvor hält ein Politiker eine Ansprache.

Leider war ich nur in Begleitung von Jensen, der mir die Ansprache nicht übersetzen konnte.

Ridgeback-Rüde Jensen schätzt die dänischen Bräuche ebenso wie Hunderte Touristen, die das Feuer umzingelten.

Allmählich sind der Hund und ich echt gut darin, zusammen Fahrrad zu fahren. Es unterlässt es jetzt auch meistens, plötzlich ins Gebüsch zu hetzen und mich mitsamt dem Rad mit sich zu reißen. Leider muss er nämlich immer an der Leine bleiben, weil er sonst butschern geht und die Ferienhaussiedlung unsicher macht.

Ich hingegen fühle mich mit ihm sehr sicher - zumindest hat mich bislang noch keiner der Halbstarken angemacht, die allabendlich am Strand die Pferdestärken in ihren Prollautos testen. Oder liegt das weniger am Hund als an mir?

Dienstag, 21. Juni 2011

Pferde-Porno II

Da meine Einträge über Fortpflanzung und Fohlenzucht auf besonderes Interesse stoßen, hier noch ein kleines Leckerlie für meine treuen Leser: Ein Video, das Ramon bei der Begrüßung der Damen auf der Weide zeigt. Er ist der schlanke Typ mit den blonden Haaren und dem langen, äh, Schweif.




Als die gescheckte Haremsdame im Bild auftauchte (siehe vorigen Post), habe ich die Kamera selbstverständlich diskret ausgemacht.

Bevor das Ganze hier abgleitet, füge ich lieber schnell ein Foto von Ramons Sohn Antonio hinzu, den er vor knapp einem Jahr gezeugt hat. Ein unschuldiges kleines Fohlen, das meinem Blog hoffentlich die nötige Seriösität wiedergibt.

Noch liebt Antonio Banderas nur seine Mama. Später wird er aber bestimmt ein ebensolcher Herzensbrecher wie sein stolzer Vater.

Pornographisches Picknick

Nangijala hat seine Unschuld verloren. Hengst Ramon hat das ländliche Paradies entweiht, das ich in meinem letzten Post "Nangijala" nach Astrid Lindgren getauft habe. Wie? Indem er seiner Bestimmung nachgegangen ist: Fohlen zu zeugen. Und alle haben dabei zugeguckt, ts.


Hengst Ramon in seinem Harem: Hier macht er einer Isländerstute den Hof, nur wenige Minuten nach seiner Ankunft auf der Weide.


Und kurz darauf kommt Ramon auch schon zum Zug, weitere Bildunterschriften erübrigen sich. (Darf man solche Bilder ins Internet stellen oder ist das  pornographisch?)

Die stolzen Besitzer des zukünftigen Fohlen haben es sich während seiner Zeugung jedenfalls gemütlich gemacht. Mein neuer Chef hat deutlich mehr Bauchumfang als der alte, was einen einfachen Grund hat: Er bereitet zu jeder Tages- und Nachtzeit köstliche Mahlzeiten zu. Meistens Fleisch, Fisch, Pasta und Burger (alles gleichzeitig) mit viel Knoblauch oder Ingwer, angebraten auf seinem pinken Barbie-Grill. Am Sonntag gibt es zum Frühstück auch mal Müsli mit Erdbeeren, frisch gepressten O-Saft und frisch gelegte Eier. Mhhmmm!

Zum pornographischen Picknick an der Stutenweide hatte er frisches Schwarzbrot gekauft, darauf Schmalz gestrichen, ein Fischfilet obendrauf gelegt und das Ganze mit Mayonaise gekrönt. Zum Trinken gab es Milch - und Redbull aus Schnapsgläsern. Da soll noch mal einer über die dänischen Bauern lästern!

Im LKW mit Pferdebox haben wir Ramon mühselig über die Landstraßen in seinen neuen Harem transportiert.

So viel steht fest: Wo Lastwagen Emma auftaucht, wird es nie langweilig.

Sonntag, 19. Juni 2011

Nangijala

Wer kennt nicht "Die Brüder Löwenherz" von Astrid Lindgren? Derjenige hat in seiner Kindheit wirklich etwas verpasst. Die Geschichte von Jonathan und seinem kleinen Bruder Krümel, die in ihrem Leben nach dem Tod Abenteuer in Nangijala erleben, ist gleichzeitig das schönste und auch das grausamste Kinderbuch der Welt. An Lindgrens Nangijala erinnert mich die Gegend, in die wir heute mit LKW Emma gefahren sind, um eine Stute auf eine andere Weide zu bringen. (Ja, auch die Autos haben in Dänemark Namen)


Verwunschen. Hügel in saftigem Grün, Pferde in allen Farben, selbst der prasselnde Regen hatte durchaus Romantik-Faktor.


Hier stehen die Pferde, die entweder schon Fohlen haben, noch bekommen werden oder aber vom Paso-Hengst Ramon gedeckt werden sollen. Die Weide ist gepachtet, das Land gehört zu einem alten Museum in Mosbjerg. Wenn ich mal tot bin, will ich auch in so einer fantastischen Landschaft weiter existieren.

P.S. Der fiese Drache in "Die Brüder Löwenherz", mit dem Diktator Tengil Nangijala unterjochen will, heißt übrigens Katla. Eine rein zufällige Namensähnlichkeit mit mir, vermute ich. 

Freitag, 17. Juni 2011

Bauernrummel

Die Ansage klang aufregend: Wir fahren auf eine Tiershow in Hjørring und machen da Werbung für den Tourismus in der Region Tversted. Meine neue Chefin ließ extra für den großen Tag einen Pullover für mich mit dem Logo ihres Reiterhofs (es ist KEIN Ponyhof, ich muss darauf bestehen) besticken, wir druckten fleißig Plakate und Flyer und ich stellte mir wer weiß was vor.

Überraschung Nr. 1: Als ich mich heute morgen hektisch stadtfein machte (mein erster Ausflug in die Zivilisation seit zwei Wochen!), kam meine Chefin und teilte mir mit, wir müssten in 15 Minuten los. Ob ich denn schon alle Tiere gefüttert hätte? In meiner Naivität war ich davon ausgegangen, dass das an diesem wichtigen Tag jemand anders machen würde. Weit gefehlt. Ich schlüpfte also in Regenjacke und Gummistiefel gegen den strömenden Regen und versorgte innerhalb von zwölf Minuten 20 Pferde, 1 Esel, 3 Schweine, 25 Hühner, 1 Vogel und 1 Eichhörnchen mit Hafer, Heu und Wasser. Mein eigenes Frühstück fiel aus.

Überraschung Nr. 2: Innerhalb der verbliebenen drei Minuten zog ich mich also wieder repräsentabler an. (Jeans, Turnschuhe und Jacke ohne Pferdehaare dran gelten hier als schick) Zu dumm, dass mir keiner gesagt hatte, dass das Ganze eine Outdoorveranstaltung ist. Die Tverstedter hatten zwar ein gemeinsames Zelt, aber drum herum war nur matschige Wiese mit ein paar Ständen und Fressbuden. Von oben schüttete es weiter. Innerhalb weniger Minuten war ich durchnässt und durchgefroren. Unschön.

Überraschung Nr. 3: Nach einer Portion versalzener Pommes als Frühstück konnte ich den Termin mit mehr Humor betrachten. Rührend fand ich, dass diese murkelige Veranstaltung offenbar das Highlight des Sommers im Terminkalender der Bauernfamilien ist: Alle waren sie da, ganze Schulklassen mit Lehrern, Omas, Opas, Mütter mit Kindern, Väter mit Bullen etc.

Wenig überraschend ist, dass ich wegen der morgendlichen Hetze meinen Fotoapparat auf dem Hof vergessen habe. Macht aber nichts. Optisch war der Bauernrummel ohnehin kein Aufmacher.


Pleasures of horse riding

So here is finally a post for my friends in England and Iceland: The video below certainly doesn't need any German vocabulary. The pleasures of horse riding are international!

Thanks to Anne ("Aschö"), who went to Poland during her holiday, filmed a ride with a special camera attached to her hat and gave me permission to publish the result. You can see her perspective during walk, trot, canter and finally... well, surprise.





I recommand this film especially to everybody who hasn't been sitting on a horse yet. Yeeeeha!

Mittwoch, 15. Juni 2011

Mutterliebe

Mut|ter|lie|be - fürsorgliche, opferbereite Liebe einer Mutter zu ihrem Kind (Duden)

Seit drei Tagen bin ich Reitlehrerin. Eigentlich habe ich ja selbst noch viel zu lernen, aber einer Elfjährigen bin ich doch tatsächlich überlegen. Lisa stammt aus dem Kreis Tutlingen im Ländle und wird jeden Tag von ihren Eltern in einem gigantischen Camper auf den Hof gefahren. Der Vater ist jedes Mal dabei, versteckt sich aber irgendwo hinten im Wohnmobil, sobald seine Anwesenheit am Steuer nicht mehr erforderlich ist. Lisa selbst redet kaum, dafür quasselt ihre Mutter aber umso mehr.

"Mensch, wie toll, dass das hier klappt! Da freuen wir uns so!"

"Wir haben uns schon soviele Gedanken gemacht, ob Lisa wohl einen Hof findet, wo sie reiten kann - und ob es auch die richtigen Pferde für sie gibt - und ob es wohl auch Reitunterricht auf Deutsch gibt - sie hat ja extra schon ein paar Vokabeln auf Englisch gepaukt..."

"Morgen nachmittag will mein Mann zum Segelfliegen, aber vormittags könnte Lisa zum Reiten kommen. Das wäre so toll, wenn das klappt! Da würden wir uns so freuen!"

Die Redeschwälle sind kaum zu bremsen, aber durchaus liebenswert. Einmal habe ich gewagt zu fragen, was sie denn gern macht - wo doch die Tochter unbedingt zum Reiten und der Mann zum Segelfliegen muss. Da sagte sie nur: "Ach, wenn ich es hinkriege, die Hobbys der beiden unter einen Hut zu kriegen, dann bin ich schon zufrieden!"

Arme Mütter.

Ob ein Huhn wohl auch Mutterliebe gegenüber seinen Eiern empfindet?

Dienstag, 14. Juni 2011

Männliche Intuition

Auch beim romantischen Landleben, das geneigte Leser an die Serie "Unsere kleine Farm" erinnert, gibt es den ein oder anderen einsamen Moment. Ich würde es nicht direkt Heimweh nennen, aber... na ja, zumindest so etwas ähnliches überkam mich letztens.

Ich hab mir nichts anmerken lassen. Bin schließlich erwachsen. Dackel Ernst hat es trotzdem gemerkt und ist mir nicht mehr von der Seite gewichen. Abends in meinem Zimmer (das einen gewissen Jugendherberg-Charme nicht leugnen kann) legte er sich vor mein Bett. Dann auf mein Bett. Ans Fußende. Dann robbte er unter die Decke. Dann arbeitete er sich darunter so weit vor, bis sein Kopf neben meinem auf dem Kopfkissen lag. Wovon ich am nächsten Morgen aufgewacht bin, brauche ich wohl nicht zu beschreiben.

Nein, Fotos gibt's davon nicht. Intimsphäre ist auch in einem weltweit einsehbaren Blog ein kostbares Gut. Ich stelle ja auch nicht die Fotos von meinen zahlreichen blauen Flecken ins Netz. Außer Ihr schickt mir auch kompromittierende Bilder, dann können wir drüber reden.

Montag, 13. Juni 2011

Familienausflug

Wenn die Sonne mal nicht scheint in Tversted, dann schlägt die Stunde der Hunde. Dann macht die ganze Familie einen Ausflug zum Strand. (Warum ausgerechnet bei Regen und grauem Himmel?  Ganz einfach: Weil bei gutem Wetter abends immer geritten wird. Dann sind die Pferde dran.)

Heute abend war es ordentlich düster und so wurden Regenjacken und alle fünf Hunde eingepackt und zum Strand gefahren. Das Familienauto ist der bereits beschriebene LKW, der einfach direkt am Wasser geparkt wurde. Das ist so usus in Tversted - der einzige Strand Dänemarks, den man rund ums Jahr mit Autos und Pferden betreten darf.

Strand, Wasser, Himmel - und Fahrzeuge. In Tversted ein ganz normaler Anblick, auch wenn unser Truck etwas herausstechen dürfte.

Für die Hunde war der Pfingstmontag buchstäblich ein Feiertag: Unter Gejaule, Geknurre und Gejapse jagten sie sich quer über den Strand, rein ins Wasser, rein in die Dünen und wieder zurück...


Die Köter vom Nordkap (v.l.): Blue, Ernst, Jensen, Blacky
Jensen, Ernst, Blue, Blacky

... wobei die Kleinen sich mal wieder am meisten aufgespielt haben. So ist das bei den Männern.



Für die Frauchen gab es nach dem gelungenen Familienausflug noch auf der Rückfahrt im LKW eine eisige Belohnung. Mit unglaublichen zwölf (ja: 12!) Kugeln und geschätzten 30.000 Kalorien.

Nicht, dass es hier jemand nötig hätte, die zu zählen.


So bescheiden isst man in Tversted Eis: Brombeere, Lakritz, Zitrone, Marzipan, Banane etc. in der Waffel, darauf eine sahnige Creme namens Göff (die Konsistenz entspricht dem Inneren von Negerküssen, das Zeug ist nur noch leckerer) und ganz oben thront ein Negerkuss.

P.S. Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, dass ich mir selbst widersprochen habe. Es klart gar nicht immer spätestens gegen Mittag in Tversted auf. Heute hat es erst um 22 Uhr aufgehört zu tröpfeln.

Der letzte Schrei?

Auf das Wetter an der Nordsee kann man sich verlassen: Selbst wenn es morgens wie aus Eimern schüttet, spätestens gegen Mittag klart es auf. So kann man sich entgegen aller Erwartungen (und Hoffnungen) doch  noch einen Sonnenbrand holen. Mein neuer Chef hatte Mitleid und hat eine Weile in seiner unerschöpflichen Sattelkammer gewühlt. Das Resultat:



Dieser Strohhut ist nicht unbedingt der letzte Schrei, aber durchaus tauglich als Sonnenschutz für Gesicht und Dekolleté. Man will sich ja nicht völlig den Teint ruinieren - möglicherweise gibt es eine Zukunft jenseits der Pferdezucht für mich.

Meine Freundin Hella aus Harburg hätte unter ihrem Label Miss Margerite wohl schwuppdiwupp aus einem Stofffetzen einen ganz edlen Hut gezaubert. So talentiert bin ich leider nicht.

P.S. Die Dänen nennen die Nordsee übrigens Westsee. Macht ja auch Sinn, aus ihrer Perspektive.

Samstag, 11. Juni 2011

Die Neuen

Ist schon mal jemand LKW gefahren? Ich noch nicht, bis wir heute morgen die bestellte Udendørs Køkken (Outdoor Kitchen, man spricht es 'Üllendörs Küggen' aus) beim örtlichen Dagli' Brugsen (ein lokaler Supermarkt, 'Dauli Bruhsen') abgeholt haben. Wofür wir sie genau brauchen, ist mir noch nicht ganz klar, da es drinnen bereits zwei Küchen gibt. Aber man muss auch nicht immer alles hinterfragen.


Jedenfalls war es eine lustige nette Fahrt mit Dackel, Chef und Aushilfe Anna in einem Pferdetransporter, der vermutlich noch größer ist als ein 7,5-Tonner. Ich kenne mich da nicht so aus.


Erstaunlicherweise haben wir es sogar zu dritt geschafft, das dreiteilige 168-Kilo-Ding einzuladen...


... wieder auszuladen und im Garten an entsprechender Stelle aufzubauen. Rottweiler Thor hat beschlossen, so lange vor dem Teil Wache zu halten, bis endlich gegrillt wird. Hier kriegen die Hunde nämlich nicht nur Essensreste vom Teller, sondern nach dem Essen gleich den ganzen Teller zum Abschlecken vorgesetzt. Es geht doch nichts über strenge Hygienevorschriften auf dem Bauernhof.

Neben der neuen Küche sind auch die neuen Hunde angekommen. Zwei Australian Shephards, eine Rasse, die trotz ihres Namens aus den USA stammt und besonders intelligent sein soll. Die beiden stammen aus deutscher Zucht, eine zwölf Wochen alte Hündin namens Blacky und ein acht Wochen alter Rüde namens Blue - denn beide haben entzückende blaue Augen.

Welpe Blacky im Garten. Im Hintergrund versucht Dackel Ernst gerade, Blue unter dem Auto hervorzulocken.
Ernst freut sich jedenfalls tierisch, dass er endlich einen Spielkameraden auf Augenhöhe hat. Die Folge: rasante Jagden quer durch den Garten mit extraviel Gekläffe, bis die Kleinen unter das Auto flüchten, in dem sie hergekommen sind.

Freitag, 10. Juni 2011

Zoo II

Ich bin nicht mehr allein! War ich ja auch nie wirklich, angesichts der vielen Vier- und Zweibeiner, die hier so rumstrolchen. Übrigens hatte ich in meiner Aufzählung die 3 Schweine vergessen.

Jetzt sind auch die Hofbesitzer gerade vorgefahren. Mal sehen, ob sie wie angekündigt zwei Welpen mitgebracht haben. Es sollen nämlich demnächst auch Hunde gezüchtet werden.

Dabei gibt es doch schon zwei echte Prachtkerle, die mich in den letzten 36 Stunden ordentlich zum Lachen gebracht haben. (Nummer 3, Rottweiler Thor, war zum Großvater ausquartiert, deshalb kann ich über ihn noch nicht viel berichten.)

Vorhang auf für Ernst und Jensen, die beiden Lachnummern von Tversted:


Dackel Ernst ist der freundlichste Hund, den man sich vorstellen kann. Er läuft den ganzen Tag frei auf dem Hof rum, jagt Hühner, leckt dem neugeborenen Fohlen die Nase und freut sich einen Keks über jede Streicheleinheit. Jensen, ein Rhodesian Ridgeback, muss hingegen angeleint bleiben, weil er sonst die Bewohner der umliegenden Ferienhäuser zu Tode erschreckt - durch seine Größe, denn er ist der gutmütigste Hund der Welt.
Erzogen sind sie leider beide nicht. Deshalb laufen sie auf Tischen, schlafen in Betten, essen aus dem Mülleimer usw. Hier wollte Ernst gerade nachsehen, ob im Grill (man nennt ihn auch den Barbie-Q wegen seiner originellen pinken Farbe) noch etwas für ihn übrig ist.
Sieht gefährlich aus, ist aber nur Spiel. Sowieso, wenn einer den anderen ärgert, dann der Kleine den Großen.
So wie hier: Ernst liegt auf Jensens Matratze und zerrt an dessen Leine herum. Der arme große Kerl wird ständig zurückgezogen und winselt nur mitleiderregend.

Gruß von zuhause

Wie klein die Welt doch ist. Gerade kamen neue Übernachtungsgäste an, ein junges Pärchen aus Hannover, ursprünglich Hamburger. Innerhalb von wenigen Minuten hatten wir geklärt, dass wir diverse gemeinsame Bekannte haben: Ich kenne ihren Prof von der Uni, sie arbeitet mit der Sängerin aus Franks Band in einer Firma.

Dort können die Angestellten übrigens seit neuestem ein sechsmonatiges Sabbatical nehmen - und das Beste: Sie bekommen ihr Gehalt weiter und müssen nur auf läppisches Weihnachts- und Urlaubsgeld verzichten! Meine nächste Bewerbung geht an die besagte Firma. Ach nee, ich bin ja quasi schon in der Auszeit. (Gehalt hätte ich aber trotzdem gern weiter auf mein Konto)


Mein sonstiges Highlight des Tages: Mit einer dickköpfigen Isländerstute in einen Zaun reiten. Sie wollte nicht anhalten, ich habe alles versucht. Sie soll am Sonntag verkauft werden und ich sollte sie eigentlich den Interessenten vorführen. Das wird wohl nichts. Sie wurde mir mit den Worten anvertraut "Sie ist eigentlich ganz lieb, hat nur ihren eigenen Kopf". Ich glaube, ich steige nicht wieder auf.

Schließlich gibt es einfach zuviele tolle Pferde hier, die wahnsinnig Spaß machen. Zum Beispiel Tritla, eine fünfjährige Stute, die einen unglaublich schnellen Nähmaschinen-Tölt läuft und mir am Strand ein echtes Aha-Erlebnis beschert hat. Oder Sölvi, ein wunderschöner Windfarbener (Foto folgt), der am besten töltet, wenn man gar nichts macht (aus gegebenen Anlass hier ein herzlicher Gruß an Tjaldur in Hanstedt, der natürlich trotzdem immer die Nummer Eins bleiben wird!).

@alle Nichtreiter: Sorry für den kleinen Exkurs in die Pferdefachsimpelei.

Das ist Tritla, die mit ihren fünf Jahren gerade erst eingeritten wurde und schon wie eine Große läuft. Daneben steht das Riesenross vom Chef, ein Mix aus Friese und hab ich vergessen.

Donnerstag, 9. Juni 2011

Allein im Zoo

Weil ich so vertrauenswürdig bin, hat man mir heute glatt für die nächsten 36 Stunden den kompletten Hof überlassen. Der Chef muss 100 Kühen in Süddänemark die Klauen schneiden (der Beruf heißt tatsächlich Hufschneider, er beschlägt aber auch Pferde), die Chefin musste geschäftlich nach Deutschland.

Übrig blieb also ich. Plus der Tverstedsche Zoo. Zu dem gehören:

- 13 Isländer
- 4 Paso Finos inklusive 1 Fohlen und 1 fieser Hengst
- 6 Paso Peruanos inkl. 2 Fohlen und 1 netter Hengst
- 1 Shetlandpony
- 1 Esel namens Ebert Olsen
- geschätzte 30 Hühner
- 2 Hunde
- 2 Katzen (vielleicht auch mehr, sie verstecken sich wegen der Hunde auf dem Dachboden)
- 1 Esel
- 1 Kanarienvogel
- 1 Eichhörnchen
- ca. 10 Fische

Dazu kamen heute noch zehn Reitschüler, die mit ihren Ponys über den Hof getöltet sind.

Tierfreunde können sich vielleicht die Zahl der Aufgaben vorstellen, die in einem solchen Zoo anfallen. Vor allem, wenn es wie heute vormittag in Strömen regnet.

Antonio Banderas

Schon klar, mein körperlicher Zustand interessiert nur peripher. Aber das mittlerweile fünf Tage alte Fohlen ist wirklich ein Hingucker. Er hört (mehr oder minder) auf den Namen Antonio Banderas. Fanden seine Besitzer passend, weil die Rasse Paso Peruano aus Lateinamerika stammt. Jedenfalls beschloss er heute, von der Koppel nicht in den Stall zurückzukehren. Seine gebeutelte Mutter wieherte sich heiser, er blieb vor der Tür stehen und pupste.
So sah der arme Kerl nach etwa 48 Stunden aus, mühsam mit der Flasche ernährt...

... und jetzt kann man ihn beim munteren Trinken bei Mutterstute Noella beobachten. Was will man mehr als einen solchen Ausblick vom Schlafzimmerfenster?

Lebensretter


Diese widerstandsfähigen Burschen sind überlebenswichtig. Wer ohne Handschuhe Strohballen schleppt, braucht abends einfach zuviel Pflaster und Handcreme. Danke an den edlen Spender!

P.S. Auch Schubkarren haben ihre Tücken. Vor allem, wenn sie voller Mist sind und man sich beim Versuch, sie auszuleeren, einen Griff in die Rippen rammt. Nichts für Anfänger.

Knochenjob

Aus der Zeitungsbranche in die Pferdewirtschaft: klingt romantisch. Ist es auch. Hat aber nebenbei ganz realistische Aspekte. Nach vier Tagen Wassereimer schleppen, mit dem Spaten giftiges Unkraut entwurzeln und am wunderschönen Strand galoppieren kann ich das beurteilen.

Luxusprobleme, ist klar.

Ist ja toll, wieviele verschiedene Muskeln der Körper hat. Aber etwas beschwerlich, wenn alle gleichzeitig ungewohnte Belastungen melden. Man wird eben nicht von jetzt auf gleich vom Schreibtisch-Fuzzi zum Naturburschen.

Die bisherige Bilanz:

- ein Gefühl im Kreuz, das mit dem nach stundenlangem Sitzen am Computer nichts gemein hat, sondern auf volle Wassereimer und giganteske (und kratzige!) Strohballen zurückzuführen ist
- Muskelkater in sämtlichen Partien, die man zum Reiten benötigt (und das sind von Kopf bis Fuß ungeahnt viele)
- eine blutige Blase am linken Daumen vom Spaten, der gegen Giftpflanzen zum Einsatz kam; die Weide war groß
- eine Quetschung an der rechten  Hand, die blöd zwischen Sattelgurt und Schnalle geraten ist
- eine Beule auf der Stirn (dumm, dass diese Heuraufen so robust sind)
- erste Schwielen an den Händen
- nicht zu vergessen ein kleiner Sonnenbrand hier und da

Also ingesamt eine ausgezeichnete Bilanz. Als gelegentlicher Assistentin des Schmieds hätte mir schließlich auch ein Pferd den Fuß zertrümmern können!

Aber den Spott über meine "office hands" werde ich wohl vorerst nicht los.

Mittwoch, 8. Juni 2011

Flaschenkind

Kaum in Dänemark angekommen, habe ich prompt ein Kind bekommen. Ein echtes Baby aus Fleisch und Blut, mit blondem Fell und vier Hufen. Paso-Stute Noella hatte zwölf Stunden vor meiner Ankunft ein Fohlen bekommen, das nach der schweren Geburt aber nicht trinken wollte. "Toll, dass du da bist - du kannst gern gleich die Nachtschicht übernehmen", hieß es also zur Begrüßung.

Na klar, man hat ja sonst nichts zu tun um ein Uhr nachts. Und um vier Uhr morgens. Und dann wieder um sieben Uhr morgens, denn so ein Pferdebaby muss in etwa so regelmäßig gefüttert werden wie ein neugeborener Zweibeiner. Und die Mutterstute gemolken werden - irgendwo muss der Zaubertrank zum Groß-und-stark-werden ja herkommen. Wenn der kleine Kerl einem aber entgegen wiehert und endlich an der Flasche saugt, entschädigt das für so einiges.

Und das Beste: Die Mühe hat sich gelohnt. Noch am Montag sah es so aus, als würde der kleine Hengst nicht überleben. Apathisch lag er im Stroh und ließ sich nur zu etwas Zuckerwasser überreden. Am Dienstag machte er seine ersten Schritte im Hof, am Mittwoch trank er plötzlich wie von selbst an den Zitzen seiner geduldigen Mutter. "Ein fantastischer Tag", wie sein Besitzer zusammen fasste.